Foto: alt-alfeld

Folge 3: Unter der Kirche

1.12.2020 (sr) Der Straßenname Unter der Kirche ist angesichts der St. Nicolai-Kirche selbsterklärend und wird seit 1872 verwendet. Früher gehörte die Straße zur Winde. Die jeweiligen Eckhäuser Nr. 1 und Nr. 8 stehen unter Denkmalschutz und sind Anlaufstelle für Patienten: Arzte und Ärztinnen führen hier ihre Praxen. Das ansässige Sanitätshaus wechselt demnächst seinen Standort an die Leinstraße und wäre die rote Spinnmilbe nicht gewesen, wäre vielleicht Alfelder Bier eine Weltmarke. Aufmerksame Beobachter finden sogar einen Indianer.  

Ärztehaus mit Tradition
Rund 2500 Patienten im Quartal versorgen die hausärztliche Gemeinschaftspraxis von Dr. Cathrin Sasse und Dr. Torsten Bludau in Praxisgemeinschaft mit Dr. Mathias Middendorf und ihre sieben Mitarbeiterinnen und stellen dabei das gesamte Spektrum der modernen, hausärztlichen Medizin zur Verfügung. Interessierte finden die Leistungsübersicht unter www.sasse-bludau.de und www.middendorf-alfeld.de. 

Heilkunde hat in dem denkmalgeschützten Fachwerkhaus Unter der Kirche 1 eine lange Tradition wie alte Lehrbücher im Sprechzimmer der Fachärztin für Allgemeinmedizin beweisen. Bereits der Urgroßvater und der Großvater von Dr. Cathrin Sasse waren Mediziner und Ansprechpartner ihrer Alfelder Patienten. Ihre Mutter Dr. Christine Sasse-Blume und ihr Vater Dr. Dieter Sasse führten die Praxis mit Dr. Ludger Ferrari, nach dessen Ausscheiden folgte 2001 Dr. Mathias Middendorf. „Für mich bot sich die Übernahme der Praxis meiner Eltern natürlich an und die Heimatverbundenheit spielt ebenfalls auch eine Rolle“, sagt Dr. Cathrin Sasse. Nach ihrem Studium in Marburg und der Facharztausbildung in Schleswig und Alfeld, ist die 38-Jährige seit 2015 als niedergelassene Fachärztin in ihrer Heimatstadt tätig, seit 2017 in Gemeinschaftspraxis mit Dr. Torsten Bludau. Der Facharzt für Innere Medizin und Rettungsmedizin hat sein Studium in Göttingen absolviert. Der 51-Jährige arbeitete in Krankenhäusern in Einbeck, Höxter, Göttingen und Braunschweig unter anderem in den Bereichen Gastroenterologie, Kardiologie, Hämatologie, Onkologie und Nephrologie. „Der Austausch mit meinen Kollegen ist mir sehr wichtig. Das ist neben der besseren Ressourcennutzung von medizinischen Geräten und Einrichtung der große Vorteil einer Gemeinschaftspraxis.“ 

Immer mehr Einzelpraxen finden keine Nachfolger. „Durch die Praxisschließung von Dr. Griebel zum Jahresende haben wir ganz aktuell einen großen Zulauf neuer Patienten. Früher übernahmen Mediziner nach ihrer Facharztausbildung im Alfelder Krankenhaus meist auch freie Praxissitze vor Ort. Die bürokratischen Hürden und der Regelungswahn schrecken jedoch immer mehr junge Ärzte und Ärztinnen ab. Auch gibt es meiner Meinung nach zu wenige Studienplätze in Deutschland. Medizinische Versorgungszentren sind sicher eine Möglichkeit, den Bedarf sicherzustellen, allerdings bleibt das persönliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient auf der Strecke, da immer wieder wechselnde Ansprechpartner vor Ort sein werden“, sagt Dr. Cathrin Sasse.

Mit Dr. Cathrin Sasse (rechts) praktiziert die vierte Generation der Medizinerfamilie Unter der Kirche 1. Sie hat gemeinsam mit Dr. Torsten Bludau die Nachfolge ihrer Eltern Dr. Christine Sasse-Blume und Dr. Dieter Sasse angetreten. Zur Praxisgemeinschaft gehört außerdem Dr. Mathias Middendorf.  Foto: Susanne Röthig

Corona bremst Café am Markt aus   
Stephanie Klages und Edward Klimt haben bereits seit vielen Jahren Erfahrung in der Gastronomie gesammelt und ergriffen im August 2019 die Chance, in Alfeld das Café am Markt zu übernehmen.  „Es war schon immer mein Traum, einen eigenen Betrieb zu führen“, sagt Stephanie Klages. „Wir haben uns über den Zuspruch der Kundschaft sehr gefreut, besonders unsere Marzipan-Nuss-Torte ist äußerst beliebt“, freut sie sich. Neben den leckeren Torten schätzen die Gäste das Frühstück im gediegenen Ambiente, im lichtdurchfluteten Wintergarten oder bei entsprechendem Wetter die Außenplätze. Neben vielen Stammkunden des Cafés kommen auch immer wieder Touristen, die sich den Marktplatz oder das Fagus-Werk angesehen haben“, so Edward Klimt. „Wir hatten beispielsweise schon Gäste aus Aachen und Osnabrück“. Das Paar wohnt in Schellerten, kann sich aber durchaus vorstellen, in die Leinestadt zu ziehen. „Ich bin aktiver Fußballer und kenne dadurch die Gegend hier gut“, sagt der 39-Jährige. Die Corona-Pandemie hat den guten Start leider jäh beendet.  „Während der Öffnungszeiten im Sommer kamen weniger Gäste als sonst und nun der erneute Lockdown. Das ist für uns sehr schwierig“, sagt Stephanie Klages. „Einige unserer Kunden haben sich erkundigt, wie es uns geht und uns Mut zugesprochen. Das tut natürlich gut“, erzählt die 39-Jährige. „Für uns ist der Standort unter normalen Umständen bestens geeignet. Für die Stadt würde ich mir mehr Vielfalt und Geschäfte für junge Leute wünschen, um so die Innenstadt wieder mit mehr Leben zu füllen.“

Hoffen, dass es im nächsten Jahr wieder weitergehen kann: Stephanie Klages und Edward Klimt. Foto: Susanne Röthig

Personelle Unterstützung gesucht  
„Durch die Nähe zum Marktplatz ist es hier sehr belebt“, sagt Sevgi Celik. Die Friseurmeisterin betreibt ihren Salon „CS Haarwandel“ seit 2017 unter der Kirche 2. „Der Umzug von der Holzer Straße war für mich die richtige Entscheidung“, sagt die 45-Jährige. Meine Kundinnen und Kunden können direkt vor dem Salon halten und auch für Rollstuhlfahrer ist die eine kleine Stufe mit meiner Hilfe kein Problem. Im Inneren ist alles barrierefrei, sogar der Zugang zu den Sanitäreinrichtungen. „Zurzeit betreibe ich das Geschäft allein, suche aber händeringend zum nächstmöglichen Zeitpunkt Unterstützung“, so Sevgi Celik, die seit 2010 selbstständig ist. 

Sevgi Celik sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine neue Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter. Foto: Susanne Röthig

Raumausstattung bleibt vor Ort  
„Die Gebäude Unter der Kirche 4 – 6 sind nach dem Stadtbrand 1846 auf den alten Tonnengewölben wieder aufgebaut worden und stehen nicht unter Denkmalschutz. Die oberen Stockwerke werden als Wohnraum genutzt“, erzählt Birgit Wiegand. „Meine Großeltern und Eltern haben das Raumausstatter-Geschäft im Mai 1945, also sofort nach Kriegsende, eröffnet“, erzählt die 65-Jährige. „Als Diplom-Bauingenieurin bin ich eigentlich eine Quereinsteigerin in diesem Berufsfeld, habe aber aus Verbundenheit zu Alfeld 1994 das Geschäft von meinen Eltern übernommen und nun entschieden, mich von der Lagerware mithilfe eines Räumungsverkaufs zu trennen. Weiterhin bin ich aber auf dem Gebiet der Objektausstattung tätig. Aktuell arbeiten wir beispielsweise in der Park Residenz am Antonianger und haben die Einrichtung mit Gardinen und Plisseeanlagen ausgestattet. Auch für Privatkunden sind wir da.“ Birgit Wiegands Kunden kommen gezielt. Neben Gardinen und Bodenbelägen berät sie zu den Themen Sicht-, Sonnen- und Insektenschutz, nimmt vor Ort Maß und gibt Tipps, um die optimale Lösung für jedes Zuhause zu finden. 

„In einem Teil der bisherigen Räume bleibe ich meinen Kunden also erhalten“, so die Geschäftsinhaberin, die mit dem Standort durchaus zufrieden ist. „Allerdings ist die Fußgängerzone in Alfeld viel zu groß“, findet sie. „Eine bessere Erreichbarkeit mit dem Auto könnte für viele Geschäfte hilfreich sein und zur Belebung der Innenstadt beitragen.“

 Akzente für schöneres Wohnen: Birgit Wiegand steht für Raumgestaltung mit Erfahrung in dritter Generation. Foto: Birgit Wiegand 

Beratung rund um das Thema Geld
Seit mehr als drei Jahren bietet Michael Grösche in den Räumen Unter der Kirche 6 seine Beratung zu allen Fragen der Geldanlage, Altersvorsorge und privaten Absicherung an. Er ist seit 2012 rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Kooperationspartner der VB Select AG. Über das 2009 gegründete Partnernetzwerk hat Michael Grösche banken- und anbieterunabhängigen Zugang zum deutschen Wertpapier- und Versicherungsmarkt.  Der Sparkassenfachwirt bietet eine auf die Kundenwünsche individuell zugeschnittene Lösung an, die regelmäßig überprüft und geändert werden kann. 

„In einer Zeit, in der es fast keine Zinsen mehr gibt und die Verschuldung der Staaten voranschreitet, sollte sich jeder Mensch mit seiner finanziellen Zukunft beschäftigen“, rät Michael Grösche. 

(alt-alfeld/sr)

Hopfen und Malz sind nicht verloren: Vom Wohnhaus zum Mehrgenerationen-Treff
Zugegeben, es gibt durchaus geschichtsträchtigere Bauten und Häuser in unserer schönen Leine­stadt, wie z. B. die Alte Lateinschule, das Planetenhaus, St. Elisabeth, die Bürgerschänke usw. um nur ein paar dieser Bauten zu nennen. „Im Rücken der Kleinen Kneipe waren im Mittelalter die Badehäuser, die in der Kleinen Kneipe endeten“, hat ein unbekannter Verfasser notiert. Diese sind in den Gewölbekellern der Häuser hinter der „Kleinen Kneipe“ bis heute erhalten. 

Viele Eigentümer hatte das Haus „Unter der Kirche 9“ im Laufe der vergangenen Jahrzehnte. So führt das Adressbuch der Stadt Alfeld (Leine) aus dem Jahr 1925, die Witwe Johanne Grüne, geb. Siegmann als Eigentümerin des Hauses. 

In den 1980er Jahren taucht erstmals die „Kleine Kneipe“ in der Geschichte der Stadt auf. In diesem Zusammenhang dürfte der Name Wolfgang Holz noch für viele „Kneipengänger“ ein Begriff sein. Die Kleine Kneipe war zu diesem Zeitpunkt im wahrsten Sinne des Wortes tatsächlich eine kleine Kneipe, denn der heutige, kirchhofseitige Raum gehörte noch nicht zur Gaststätte. Erst der neue Besitzer des Hauses, Horst Drücker, hat in den späten 1980er Jahren den Büroraum zur Kneipe mit dazu genommen. Die Wand zwischen beiden Räumlichkeiten wurde entfernt und somit entstand die Kleine Kneipe in ihrer „vollen Größe“. Die Kleine Kneipe war von da an immer die Kleine Kneipe, obgleich die Betreiber der Gaststätte von den 1980er bis in die 2000er Jahre des Öfteren wechselten. 

Nachdem der letzte „richtige“ Wirt den Betrieb einstellte waren als kurze Spanne in der Zeitgeschichte ein sogenanntes Internetcafé und eine kirchliche Begegnungseinrichtung in den „wirtschaftshistorischen“ Räumen untergebracht, ehe dann 2008 das Projekt „Mehrgenerationen-Treff“ in die Kleine Kneipe einzog. 

Was ursprünglich als zeitlich begrenztes Projekt und unter der Federführung der von Margarete Behrens gegründeten Senioren-Akademie Alfeld begann, hat sich mittlerweile in Alfeld als Treffpunkt für alle Altersgruppen etabliert. Von Anfang an hat sich die heute 89-jährige Brunhilde Heinrich hier ehrenamtlich engagiert. Sie organisiert das Leben in der Kleinen Kneipe. Dazu gehören unter anderem Ausstellungen, Spielenachmittage, Bewirtung der Gäste mit Suppen und Kuchen, Flüchtlingsbetreuung, Pflege der Außenanlagen. „Sie ist die gute Seele der Einrichtung“, bestätigt Dr. Ludger Ferrari vom Vorstand der Senioren-Akademie. Durch dieses Engagement hat das Haus schon sehr viele Stammgäste gewonnen, die regelmäßig zum Spielen, Lesen oder einfach nur Klönen kommen. Die Kleine Kneipe hat sich so zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt. Die Corona-Pandemie macht leider die Begegnungen und das Miteinander größtenteils nicht möglich. 

Vor Corona war die „Kleine Kneipe“ ein Ort der Begegnung und des Miteinanders. Foto: Ulrich Brinkmann
Wieder freigelegt, aufgemauert und verziert: Einer von mehreren städtischen Brunnen, dessen Wasser auch zum Bierbrauen verwendet wurde. Foto: Ulrich Brinkmann

Informationen vom Koordinator der Stadtführer Ulrich Brinkmann:
Eine Schnitzerei an der Tür des „Mehrgenerationen Treff“ erinnert noch heute an den Exportschlager und den damit verbundenen Wohlstand der damaligen Stadt: Hopfen. Im Spätmittelalter wurde überall um Alfeld herum Hopfen angebaut und bis ins Sauerland verkauft. Auch der Bierhandel war eine bedeutende Einnahmequelle. Noch heute zeugt die offene Dachgaube auf dem Rathaus als Belüftung des Hopfenbodens von dieser Zeit. Die großen Anbauflächen mussten Ende des 18. Jahrhunderts aufgegeben werden, weil offensichtlich die rote Spinnmilbe die Hopfenpflanzen vernichtete.
Einer von mehreren öffentlichen städtischen Brunnen, dessen Wasser neben dem Warnewasser zum Bierbrauen verwendet wurde.
Die Skulptur auf dem Brunnengitter stellt die Bürgermeistertochter aus der Lippoldsage dar, wie sie vor dem Rathaus dem „Blauen Stein“ ihr Leid klagt. Die Bronzeskulptur ist dem Original aus Holz des Alfelder Künstlers Rudi Mitzlaff nachempfunden.
Das gepflegte Fachwerkhaus „Unter der Kirche 1“ verfügt über eine Kuriosität: In der mittleren Fächerrosette über der Hofeinfahrt ist der Kopf eines Indianers zu sehen. Die jetzigen Eigentümer des Hauses, deren Familien seit Generationen dort wohnen, haben auf Nachfrage dafür auch keine Erklärung. So können über den Grund für diese außergewöhnliche Schnitzarbeit nur Vermutungen angestellt werden: Die Fächerrosetten sind mit dem Anbau 1908 entstanden. In dieser Zeit hatte der Tierhandel in Alfeld „Hochkonjunktur“. Von ihren Expeditionen brachten die Tierhändler Ruhe und Reiche nicht nur Tiere mit, auch Nubier und Indianer kamen nach Alfeld. Vielleicht wählte der damalige Bauherr daher diesen exotischen Schmuck für sein Haus. 

Abendstimmung unter der Kirche. Foto: Susanne Röthig

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