Foto: Susanne Röthig

Beerdigungskultur im Wandel der Zeit

1.11.2020 (sr)
Aufwendige Grabmale, üppige Bepflanzung, viele Hecken, große Grabstellen: So sahen Friedhöfe viele Jahrzehnte aus. Das Bild hat sich gewandelt. Flache, in den Rasen eingelassene Platten, eine Vielzahl von Urnengräbern, immer weniger Erdbestattungen, Stelen mit kleinen Namensschildchen, die eine Grabpflege überflüssig machen: Die Freiflächen auf den Friedhöfen mehren sich. 

„Die traditionellen Beerdigungen gehen stark zurück. Wir führen etwa 85 Prozent Feuerbestattungen und nur noch 15 Prozent Erdbestattungen durch“, erklärt Karsten Grigoleit. Seit 2006 führt er gemeinsam mit seiner Frau Franka das Bestattungs-Unternehmen KAHLE. „Der Wunsch nach einer anonymen Bestattung wird immer öfter geäußert. Das ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass immer weniger Angehörige vor Ort sind, um die Grabstelle regelmäßig zu besuchen und zu pflegen“, so der Bestatter. „Außerdem sind viele in dem Glauben, dass eine anonyme Bestattung die günstigste Beisetzungsmöglichkeit ist. Dieses entspricht aber nicht den Tatsachen. Im Beratungsgespräch stellt sich oft heraus, dass eigentlich ein pflegefreies Urnengrab doch die bessere Wahl ist. Trauer und Erinnerung brauchen manchmal auch einen festen Platz mit dem Namen des Verstorbenen. Ich habe schon Menschen am Rand des Gräberfeldes für anonyme Beisetzungen weinen sehen, weil sie diesen nicht hatten“, so Karsten Grigoleit. Als Alternative könnte er sich Urnenwände (Kolumbarien) vorstellen. Auch diese bieten eine pflegeleichte, kostengünstige und platzsparende Möglichkeit, einen würdigen Ort der Erinnerung zu schaffen. Jochen Sliber (Horizont Bestattungen) aus Langenholzen bestätigt den Trend hin zu Feuerbestattungen. „Große Grabstellen sind nicht mehr gefragt. Städtische Friedhöfe haben hier in der Gegend eine Ruhefrist von 25 Jahren, kirchliche von 30 Jahren. Viele ältere Menschen wollen ihren Angehörigen eine Grabpflege nicht über einen so langen Zeitraum zumuten. Ich nehme in den letzten Jahren vor allem eine Zunahme von See- und Naturbestattungen im Fried- oder Ruhewald wahr“, sagt Jochen Sliber.     

Leuchtende Erinnerung: Edelsteine aus Asche der Verstorbenen   

Vielfältig sind die weiteren Möglichkeiten bei der Wahl der Feuerbestattung. Hier sind die Seebestattung, die Naturbestattung unter einem Baum oder auch das Anfertigen eines Edelsteins aus der Asche zu nennen. „Leider gibt es in Alfeld zurzeit keine Möglichkeit der Baumbestattung“, erläutert Karsten Grigoleit. Bei Sottrum, Springe oder Einbeck gibt es zwar sogenannte Fried- oder Ruhewälder, aber für denjenigen, der gern an seinem Heimatort Alfeld die letzte Ruhe finden möchte, ist das doch eine nicht unerhebliche Entfernung.  

Mehr Individualität

So starr wie teilweise die Friedhofsverordnungen beispielsweise im Bezug auf Größe und Material der Grabsteine sind, so individueller werden die Wünsche zur persönlichen Trauerfeier. 

„Die Angehörigen wünschen sich weniger Schwere und schöne Erinnerungen an den Verstorbenen. Moderne Musik hält Einzug in die Friedhofskapelle. Viele Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich, wenn ein weltlicher Redner die Trauerfeier begleitet, aber auch die kirchlichen Prediger sind für Wünsche der Angehörigen offen. Das Gesamtkonzept soll für die Hinterbliebenen im Sinne des Verstorbenen stimmig sein“, sagt Franka Grigoleit.    

Was macht die Corona-Pandemie mit den Trauernden?

„Besonders in der Zeit des Lockdowns hatte ich deutlich mehr Verabschiedungen am Sarg. Die Menschen konnten ihre Angehörigen teilweise nicht auf dem letzten Weg begleiten, da Besuche im Krankenhaus nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich waren. Das hat viele sehr mitgenommen“, berichtet Jochen Sliber. „Auch für mich als Bestatter ist es schwer, gerade bei Menschen, die ich gut kenne, auf eine tröstende Umarmung oder den Händedruck zu verzichten. Alles muss mit dem nötigen Abstand geschehen.“    

Bestattungsvorsorge: Ein Zeichen der Liebe den Angehörigen gegenüber

„Wenn ein Trauerfall eintritt, sind viele Dinge zu regeln. Oft kennen Angehörige die Wünsche der Verstorbenen nicht, da diese Gespräche zu Lebzeiten ausgeklammert werden“, weiß das Ehepaar Grigoleit. Eine Bestattungsvorsorge kann da sehr hilfreich sein. „Manche planen ihre Bestattung bis ins Detail, andere legen nur wenige Dinge wie beispielsweise die Art der Bestattung fest. In jedem Fall ist es für die Angehörigen eine große Erleichterung. Auf einem Treuhandkonto können die voraussichtlich anfallenden Kosten hinterlegt werden, um die Bezahlung in jedem Fall sicherzustellen.“

Trauer braucht Begleitung

Welche Papiere und Unterlagen benötige ich im Todesfall? An was muss ich denken? Ein guter Bestatter nimmt den Angehörigen viele Wege ab. „Wir erstellen Todesanzeigen, Trauerkarten, stimmen Termine ab, bestellen Blumenschmuck, vermitteln Trauerredner. Aber unsere Arbeit hört mit der Bestattung nicht auf. Wir bieten in unseren Räumen beispielsweise auch Termine mit einem Rentenberater an, der Hinterbliebenen beim Ausfüllen der Anträge hilft oder haben auch Kontaktadressen, die Trauernde unterstützen, wieder Halt und Orientierung zu finden“, erläutert Franka Grigoleit.

Grabbepflanzung pflegeleicht gestalten

Die heißen Sommer der letzten Jahre machten die Grabpflege oft zur Herausforderung. „Das Gießen war schon aufwendig“, bestätigt Petra Krüger. Die Inhaberin eines Gartenpflegebetriebes setzt vermehrt auf eine Bepflanzung, die besser mit Trockenheit zurechtkommt. Neben der anspruchslosen und pflegeleichten Eisbegonie greift die Fachfrau unter anderem auf Dickblattgewächse und Gräser zurück. „Auch Lavendel und insektenfreundliche Stauden sind neben der klassischen Wechselbepflanzung von beispielsweise Hornveilchen, Eisbegonien und Heide eine gute Alternative“, so Petra Krüger.    

Robustes Heidekraut (Bild rechts) ist für die Wechselbepflanzung auf Friedhöfen gut geeignet. Gestecke (Bild links) schmücken die Gräber im Trauermonat November. Fotos: Lindenblüte, Susanne Röthig

Grabmale weniger aufwendig

„Legten die Hinterbliebenen früher Wert auf aufwendige Grabmale, so sind die Anlagen heute deutlich kleiner“, bestätigen Philipp Westphal (WestphalNatursteine“) und Frank Kumbier (Kumbier Natursteine). „Pflegeleicht soll die Grabstelle sein, selbst Urnengräber haben, wenn überhaupt, nur eine kleine Fläche für Pflanzen. Große Doppelgrabanlagen werden fast gar nicht mehr gewählt“, sagt Philipp Westphal. „Rasendoppelgräber bieten mit einem Stein und einer Platte, auf der ein Blumenschmuck platziert werden kann, eine Alternative.“  Musterbeispiele sind in den Ausstellungen der beiden Steinmetzbetriebe vorhanden. Hinterbliebene können sich das für den Verstorbenen oder die Verstorbene passende Grabmal und die Inschrift dann individuell zusammenstellen.

Rasendoppelgräber kommen auch ohne Pflege aus, auf der Platte kann ein Blumenschmuck platziert werden.
Foto: Susanne Röthig

Friedhofsstrukturentwicklungs­planung: Konzept liegt vor

Größere Freiflächen auch auf dem Alfelder Friedhof zwischen Walter-Gropius-Ring und Senator-Behrens-Straße machen die geänderte Bestattungskultur deutlich. „Fünf festangestellte Mitarbeitende und eine Saisonkraft sind mit der Pflege des 78.320 Quadratmeter großen Geländes beschäftigt“, erläutert Marcel Runge, Leiter des Friedhofsamtes. Eine Verwaltungskraft ergänzt das Team. Mehr ungenutzte Flächen bedeuten mehr Pflege durch die Stadtmitarbeiter und ziehen so höhere Kosten nach sich. Das Konzept schlägt vor, durch verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise das Ausfräsen von Baumstümpfen, eine leichtere Pflege von dann durchgängigen Rasenflächen zu ermöglichen. Aber auch der Verkauf einer Teilfläche am Walter-Gropius-Ring könnte offen diskutiert werden. „Ein Kolumbarium wäre eine denkbare Bestattungsmöglichkeit, über die beraten werden kann. Ganz persönlich wäre dies allerdings nicht meine erste Wahl einer neuen Bestattungsform, da sie in der klassischen Form als Bauwerk recht unnatürlich wirkt. Hier würde ich vorrangig andere Gemeinschaftsgrabanlagen vorschlagen, die sich besser in ein naturnahes Gesamtbild des Friedhofes einpassen“, sagt Marcel Runge. 

„Der Friedhof soll kompakter werden, weiterhin vermehrt mit insektenfreundlichen Blühflächen ausgestattet werden, aber auch Bereiche bieten, die zur Ruhe und Einkehr einladen“, sagt Mario Stellmacher, Baudezernent der Stadt Alfeld (Leine).  „Auf der Fläche zur Senator-Behrens-Straße könnte ein kleines Wäldchen langfristig gesehen Naturbestattungen ermöglichen. Das Konzept liegt nun vor und der Stadtrat wird darüber entscheiden, welche Maßnahmen umgesetzt werden sollen“, so Mario Stellmacher weiter. Möglichkeiten der Naturbestattungen im Bereich des Stadtforstes sind vor einiger Zeit bereits geprüft worden. „Das Areal in den Sieben Bergen ist aufgrund des Gefälles nicht besonders gut geeignet. Bequeme Zuwegungen für Angehörige sind schlecht zu realisieren. Außerdem liegt es fast komplett im Naturschutzgebiet. Eine Nutzungsintensivierung ist daher auch nicht gewünscht“, fassen Marcel Runge und Mario Stellmacher die Ergebnisse zusammen.    

Trauer und Erinnerung haben einen Platz. Foto: Susanne Röthig

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