Foto: Jan Lieske

Zeit zum Spielen

1.12.2020 (Jan Lieske) Kinos, Restaurants und Bars sind momentan geschlossen, für viele Menschen ist das Homeoffice mit stundenlangem Arbeiten vor Monitoren zum Alltag geworden, Geburtstage und Feiern fanden auch kaum noch statt. Nun steht auch das Weihnachtsfest bei Verwandten auf der Kippe. Profiteure von der Coronakrise gibt es wenige, Spieleverlage für Gesellschaftsspiele gehören mit 21 Prozent Verkaufszuwachs im Vergleich zum Vorjahr laut einer aktuellen Umfrage aber dazu.

Mit Spieletiteln wie Monopoly, Mensch ärgere dich nicht oder Cluedo können viele Menschen etwas anfangen, spätestens mit Carcassonne und den Siedlern von Catan hört es bei den meisten wieder auf. „Dort draußen existiert ein Universum an analogen Spielen, da ist für jeden Charakter und auch für überzeugte Spielemuffel etwas dabei, so Bastian Hotho vom Fantasy Inn, dem Händler für Brett und Gesellschaftsspiele aller Art in Hannover. Diese Spiele seien gerade auch in der jetzigen Situation ein wichtiger Ausgleich für unseren ohnehin stark digital geprägten Alltag, der viele berufstätige Menschen vor Monitoren in Onlinekonferenzen fesselt. „Gesellschaftsspiele können eine willkommene Hilfe sein, um spielerisch in analogen Kontakt zu unseren Mitmenschen zu gehen.“ Erfährt man von der Familientherapeutin und Spieleexpertin Christina Valentiner-Branth in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur. Daneben könnten Gesellschaftsspiele ein probates Mittel sein, um in diesen schwierigen Zeiten einfach mal abzuschalten und die Kontrolle über das eigene Handeln zurückzugewinnen. Viele von uns hatten in den letzten Monaten sicher auch ab und an ein Gefühl der Machtlosigkeit, im Angesicht der Nachrichten und Diskussionen zur Pandemie. Spiele geben uns die Möglichkeit in eine mitreißende, spannende und manchmal Zauber- und märchenhafte Welt abzutauchen, um für ein paar Stunden die Alltagssorgen abzustreifen. Bastian Hotho hat uns drei Beispiele herausgesucht, die durch eine kooperative Spielweise auf Familien zugeschnitten sind und durch eine flache Lernkurve schnell ins Spielgeschehen ziehen. „Ich habe kooperative Spiele herausgesucht, da wir in den letzten Jahren einen Trend in diese Richtung erkennen können. Die Mitspieler müssen sich zusammentun, um gemeinsam gegen die Regeln des Spieles zu bestehen und können so zusammen ein Glückserlebnis daraus schöpfen.“

„Dort draußen existiert ein Universum an analogen Spielen, da ist für jeden Charakter und auch für überzeugte Spielemuffel etwas dabei,“ so Bastian Hotho vom Fantasy Inn. Foto: Jan Lieske

In dem auf Karten basierenden Spiel „Fünfminuten Dungeon“ zieht die Heldengruppe durch sogenannte Dungeons, also verwinkelte Gänge und Verliese, um gegen allerlei Gefahren und Monster zu bestehen. Jeder Charakter bringt dabei eigene Besonderheiten mit, die Vor und Nachteile besitzen.  „Ein Schwertkämpfer hat schlechte Chancen mit Fernkampfwaffen, um zaubern zu können braucht es auch spezieller Fähigkeiten. Die Spieler sind aufeinander angewiesen, um die Gefahren auf ihrem Weg zum Ziel zu überstehen. Alle Karten sind liebevoll illustriert und helfen dabei der Fantasie freien Lauf zu lassen. Zwei bis fünf Spieler werden hier in kurzen Runden für zwanzig Euro auf ihre Kosten kommen, verspricht Hotho.

„Mysterium“ ähnelt dem Klassiker Cluedo und ist ein kooperatives Detektivspiel, für zwei bis sieben Spieler ab acht Jahren. Laut der Hintergrundgeschichte treffen sich Spiritisten in der Nacht zu Halloween, in einem alten Herrenhaus, um einen Mord aufzuklären. Nur in dieser Nacht seien sie in der Lage, Kontakt zu einem Geist aufzunehmen, dieser müsse auch von einem der Spieler übernommen werden. Herzstück diese Spiels ist eine große Sammlung hochwertiger künstlerisch gestalteter Bildkarten, die als einziges Ausdrucksmittel des Geistes dienen. Das Spiel helfe die Kreativität und das Einfühlungsvermögen zu fördern und sei für Kinder ab acht Jahren geeignet. Auch hier seien die Mitspieler aufeinander angewiesen, um zum Ziel zu gelangen. Das Regelwerk könne nach einer vier Seiten umfassenden Anleitung nachvollzogen werden.

Das Spiel „Maus und Mystik“ sei schon etwas älter, aber jeder der sich nur ansatzweise für Gesellschaftsspiele interessiere, müsse das einmal ausprobiert haben, so Hotho. Dem Spiel liegt eine 55-seitige Erzählung bei, die als Begleitung zum wiederum kooperativen Spiel dient. Die Spieler übernehmen die Rollen des tapferen Prinzen Collin und seiner Gefährten, die vom befreundeten Zauberer in Mäuse verwandelt wurden, um einer bösen Hexe zu entrinnen. Aus sechs vorhandenen Charakteren können pro Spiel vier ausgewählt werden. Fortan besteht die Gruppe viele Abenteuer, um den König zu retten und ihre wahren Menschengestalten zurückzuerlangen. „Die Begleitgeschichte ähnelt einem Märchen und entführt die Mitspieler in eine Fantasywelt.“ Dieses Spiel sei perfekt geeignet, um in der Weihnachtszeit mit der ganzen Familie in die Abenteuer einzutauchen und den Fernseher ausgeschaltet zu lassen. Eine Runde dauere 90 Minuten und sei extra für Kinder konzipiert worden. Die Spieler könnten sich leicht in die einzelnen Charaktere hineinfühlen und hätten vergleichsweise viel Handlungsfreiheit. Auf der Homepage des Spieleverlages „Asmodee“ finden sich als Bonus sogar Audiodateien, die den Spielverlauf weiterspinnen. Die einzelnen Figuren entwickeln sich im Verlauf der Geschichte und sammeln nützliche Gegenstände, um schlagkräftiger zu werden. Das Spiel sei sehr stimmig, im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Beispielen aber auch detaillierter. Allein die Anleitung umfasse knapp zwanzig Seiten. „Maus und Mystic“ könne auch der Einstieg für Gelegenheitsspieler in die Welt der Rollenspiele sein.  Hier findet man Elemente, die aus den sogenannten Tabletop- und Pen-&-Paper-Rollenspielen entliehen worden seien.

Spiele sind gerade in der jetzigen Situation ein wichtiger Ausgleich für unseren ohnehin stark digital geprägten Alltag, der viele berufstätige Menschen vor Monitoren in Onlinekonferenzen fesselt. Foto: Jan Lieske

Drei Beispiele können die große Bandbreite der Spielewelt nur anreißen. „Besucher, die das „Fantasy Inn“ erstmals betraten, bestaunten oft die bis zur Decke aufgestapelten unterschiedlichen Spieletitel.“Jeder habe Monopoly, Risiko und vielleicht auch mal Cluedo gespielt. Wenn man bereit sei, über diesen Tellerrand hinauszuschauen, könne man fantastische Welten und wunderbare Spiele entdecken.  „Catan ist zum Beispiel ein gutes Spiel und für viele die Einstiegsdroge gewesen.“ sagt Hotho der davon überzeugt ist, dass es für jeden Menschen das eine besondere Spiel gäbe. Wenn jemand Spiele ablehne und als Blödsinn abtue, habe er nur noch nicht das richtige für sich entdeckt. Er lade jeden ein, den Versuch zu starten, in seinem Geschäft das Kind in sich wiederzuentdecken.

Im „Fantasy Inn“ fehlen Spiele wie „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Kniffel“ im Sortiment, dafür liegen Titel aus allerhand Paralleluniversen, wie „Star Wars“, „Games of Thrones“, „Mittelerde“ oder „Das schwarze Auge“ bereit. Die Spielespezialisten Bastian, Jessy, Frank, Jan, Maurice und Christian kenne sich in allen bekannten Formaten der Brett- und Gesellschaftsspiele wie auf Pen & Paper und Tabletop aus. Wegen der Coronabestimmungen ist das „betreute Spielen“ in den Kellerräumen der Spielehändler derzeit nicht möglich, bedauert Bastian Hotho.

Wem der Weg nach Hannover zu weit sein sollte, findet im gut sortierten Alfelder Thalia-Buchhandel auch einige interessante Spieletitel,für gemeinsame Stunden im Familienkreis. Laut Heinrich Heine hat „jeder, der Spiele nur für Spielerei hält und die Arbeit zu ernst nimmt, von beidem wenig begriffen“. In diesem Sinne, lasst uns spielen! 

Jan Lieske studierte Reportage und Dokumentarfotografie unter Professor Rolf Nobel in Hannover. Nach vielen Reportagen, unter anderem über das Leben der Nenzen in der russischen Arktis, bis auf die Äcker Äthiopiens, von multinationalen Konzernen bestellt, vielen Ausstellungen und einer mehrjährigen Beschäftigung als Bild­redakteur, lebt er seit einem Jahr im schönen Alfeld.
Kontakt:  Tel: 0176 806 238 77

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