Wie war das mit dem Drogen- handel im Leinebergland?

04.03.2022, (sr)

Sonderausstellung im UNESCO-Welterbe Fagus-Werk zeigt Werbetafeln aus der Vorkriegszeit bis in die 1960er Jahre / Plakate aus ehemaliger Springer Drogerie

Früher wurden getrocknete Waren wie Gewürze oder Heilpflanzen als „Drogen“ bezeichnet. Seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts steht das Wort „Droge“ umgangssprachlich für rauscherzeugende Substanzen, während der Apotheker den Begriff beispielsweise für getrocknete Pflanzenteile, die zur Arzneimittelherstellung verwendet werden können, benutzt. Aber wie hat sich der Begriff entwickelt? Der niederdeutsche Begriff „dröge“ für trocken, aber auch für langweilig, reizlos findet teilweise heute noch Verwendung. Aus dem Niederländischen stammt das gleichbedeutende Wort „droog“ und in Frankreich heißt trocken „drogue“. Das englische „drug“ wird im Sinne von Medikament benutzt. 

Durften in Deutschland zunächst nur Apotheker Heil- und Giftkräuter verkaufen, gestattete eine Verordnung vor 150 Jahren wieder, Arzneidrogen in Drogerien zu verkaufen. Drogisten verkauften auch selbst hergestellte Zahn-, Haut- und Schuhputzcreme, Zahn- und Backpulver und Blechputzmittel. Auch wurden beispielsweise Bleichwässer in mitgebrachte Behälter gefüllt oder Kräuter in Papiertütchen verkauft. Fotografen kauften die benötigten Materialien für die Entwicklung der Bilder in der Drogerie. Anfang der 1970er eroberten Drogeriemärkte auf größerer Fläche mit kleinerem Sortiment, aber deutlich niedrigeren Preisen vermehrt Marktanteile. Selbstbedienung ersetzte mehr und mehr die fachliche Beratung. Heilmittel, Schönheitspflege, Reformprodukte, Reinigungs- und Waschmittel und elektronische Hilfsmittel wie Batterien sind heute das typische Sortiment. Das klassische Drogeriefachgeschäft spezialisierte sich beispielsweise als Parfümerie oder Reformhaus. 

Ein Besuch der aktuellen Sonderausstellung lohnt sich. Interessieten wird Skurriles gezeigt und der Zeitgeist der 1920er bis 1970er Jahren erläutert: Katzenfelle gegen Rheuma und Sonnenbräune als Zeichen von Kraft und Schönheit. Lassen Sie sich entführen in die vergangene Zeit und staunen Sie, was es gab und auch heute noch gibt. 

Im UNESCO-Welterbe Fagus-Werk läuft die aktuelle Ausstellung „Der Drogenhändler – Drogeriegeschichten von Kopf bis Fuß“. Werbetafeln aus der Vorkriegszeit bis hin zum Wirtschaftswunder spiegeln den damaligen Zeitgeist wider. Die SIEBEN hat sich die Ausstellung mit Drogistinnen und Drogisten aus Alfeld, Duingen und Gronau angesehen und sich auf Spurensuche begeben, wie das mit dem Drogenhandel beziehungsweise den Drogerien im Leinebergland war beziehungsweise ist. „Eine sehenswerte Ausstellung“, so die Meinung von Carola Thalheim, Volker Seidel, Hans Heinrich und Elena Ahrens. Erinnerungen an alte Zeiten wurden wach und so manche Anekdote kam ans Tageslicht. 

Die Sonderausstellung „Der Drogenhändler“
ist täglich bis zum 4. September 2022 für 

Besuchende geöffnet (Februar–März: 10–16 Uhr; 

April–September: 10–17 Uhr)

Drogerie Thalheim in Alfeld 
Von der Drogerie zur Parfümerie

Carola Thalheim lacht, als die Frage kam, ob ihr Vater ein Drogenhändler gewesen sei. „Drogen“, so wusste die Fachfrau natürlich, „steht eigentlich nur für etwas Getrocknetes.“ 

1930 übernahm ihr Großvater, der 1888 in Töttelstädt (nahe Erfurt) geborene Max Thalheim, die Adler-Drogerie von Ernst Rettberg. Wie auf Fotos zu erkennen ist, war die Drogerie damals auch ein Fachgeschäft für Fotografie. Von 1904 bis 1907 lernte Max Thalheim in Erfurt sein Handwerk. Sein Chef bescheinigte ihm im Zeugnis, dass er „ein Gehülfe welcher stets das Interesse seines Chefs wahrnahm und ein flotter, angenehmer Verkäufer“ gewesen ist. Die Militärzeit schloss sich an die Ausbildung an. Danach besuchte er die Drogisten-Akademie Braunschweig, um dann von Oktober 1910 bis 1914 in Charlottenburg zu arbeiten. Während dieser Zeit erhielt der Drogen- und Farbwarenhändler nach einer abgelegten Prüfung das Befähigungszeugnis zum Gifthandel durch den Königlichen Kreisarzt. Im Zeugnis hieße es dann „Wir können Herrn Thalheim aufgrund seiner guten Branchenkenntnisse, auch in Photo-Artikeln als einen brauchbaren und tüchtigen Mitarbeiter in jeder Weise empfehlen. Sein Austritt erfolgte infolge Einberufung zum Heeresdienst beim Ausbruch des Krieges.“ Nach Kriegsende bewarb er sich auf eine Annonce in Berlin. „Mein Antritt kann auf Wunsch sofort erfolgen“, schrieb er. 300 Mark war seine monatliche Gehaltsvorstellung. 1921 bot Ernst Rettberg in seiner Adler-Drogerie in Alfeld „das vielbewährte Eierlegefutter Gluck Gluck an, um den Eierertrag um das Doppelte zu steigern“ und als „vorzügliches Haus- und Magenmittel Boonekamp-Magenbitter“. 

1930 kreuzten sich dann die Wege von Ernst Rettberg und Max Thalheim. Letzterer erhielt dann die Genehmigung „zum Kleinhandel mit Branntwein in fest verschlossenen Flaschen in Ihrem als Drogenhandlung eingerichteten Geschäftslokal zu Alfeld, Leinstraße Nr. 2“. Wie damals üblich, handelte die Drogerie auch mit Benzin. Eine Mitteilung aus dem Fachmagazin des Drogistenverbandes „Der Drogenhändler“ informiert über die korrekte Aufbewahrung. 1957 übernahm aufgrund der Erkrankung von Max Thalheim der 1924 in Berlin geborene Sohn und ausgebildete Apotheker Hans Thalheim die Drogerie. 

1930er Jahre: Pärchen auf der Helgoländer Düne

„Wir hatten neben unseren Mitarbeitern auch immer Auszubildende“, erinnert sich Carola Thalheim. Wie damals üblich, wohnte die Familie über dem Geschäft. „Meine Mutter Edith war die Seele des Geschäfts und wir sind eigentlich im Laden aufgewachsen. Urlaub gab es sehr selten. Mein Vater brachte uns am Wochenende an den Urlaubsort, fuhr wieder nach Hause und holte uns am nächsten Wochenende wieder ab. Für meine Schwester und mich gab es auch immer Arbeit. So füllten wir die Warenbestände wieder auf. Unser Lager, das aus jeweils separatem Drogenlager, Wattelager, Giftlager, Duftlager, Lager für Deko-Artikel bestand, war zum Beispiel durch einen beträchtlichen Vorrat an Milumil-Baby-Nahrung, den wir dann in kleineren Einheiten verkauften, destilliertes Wasser, das wir als „Abfallprodukt“ von der Färberei Sievers bekamen und dann ebenfalls in die Behältnisse der Kunden abgefüllt haben und vieles mehr, stets gut gefüllt. Kerzen, Servietten, Tees, die noch selbst zusammengemischt wurden, und Kosmetikprodukte ergänzten das Angebot. Ich erinnere mich noch gut an die Unmengen an 4711, die für das Weihnachtsgeschäft angeliefert wurden. Auch hatten wir in der Adventszeit immer viele Kunden, die die Chemiebaukästen ihrer Kinder aufgefüllt haben. Da hat mein Vater dann im sowieso schon trubeligen Weihnachtsgeschäft grammgenau die fehlenden Produkte ergänzt. Auch gehörten noch Weinballons und entsprechendes Zubehör zu unserem Warenangebot. Dieses hat dann später Samen-Röttger übernommen. Auch trug ich damals die Rechnungen zu Fuß aus, das gesparte Portogeld war dann mein Verdienst. Als in den 1970er Jahren Geschäfte wie Ihr Platz und Woolworth in Alfeld eröffneten, haben wir unser Angebot angepasst, uns auf hochwertige Kosmetik und Kosmetikbehandlungen spezialisiert. Auch die Fotografie nahm damals noch einen großen Platz ein“, so Carola Thalheim. 

Volker Seidel (von links), Carola Thalheim, Elena und Hans Heinrich Ahrens schauten sich gemeinsam die Ausstellung an, tauschten Erinnerungen an vergangene Zeiten aus und sprachen über die aktuelle Entwicklung des Einzelhandels

Mit ihrer Ausbildung zur Drogistin im Jahr 1977, dem Besuch der Drogisten-Akademie und dem Abschluss „Staatl. geprüfter Betriebswirt -Fachrichtung Drogerie- waren die Weichen für eine Geschäftsübernahme gestellt. „Ich habe immer gern Kunden beraten“, sagt die heute 61-Jährige. 

Von der Drogerie zur Parfümerie: 
Elena Ahrens mit ihrem Vater Hans Heinrich Ahrens in der Gronauer Parfümerie Ringfoto Ahrens.  

1987 zogen sich Hans und Edith Thalheim zurück. Carola Thalheim entschloss sich zu weiteren Veränderungen. Die Drogerie wurde umgebaut und beherbergte ab 1989 drei Fachgeschäfte: das Süße Kaufhaus, die Parfümerie Cornelius und Foto Wesemüller. Carola Thalheim beriet weiter Kunden in der Parfümerie und bot seit 2003 gemeinsam mit weiteren selbstständig Tätigen in der oberen Etage mit Kosmetikbehandlungen, Fußpflege und Nagelstudio alles rund um die Schönheit und das Wohlbefinden an. Ab 2005 machten sich sehr zur Freude vieler Alfelder und Alfelderinnen die Hofkonzerte einen Namen. Aus Cornelius wurde Aurel und aktuell HC. Hochwertige Kosmetik und Düfte haben in der einstigen Drogenhandlung weiterhin ihren Platz. Der Name Thalheim ist an der Leinstraße 2 verschwunden. 

Einige alte Werbeplakate unter anderem von Hormocenta und Bahlsen, ein Paket Eifelfango (Heilschlamm), Fleckenmittel, Hau-ab (flüssig) zum Schutz der läufigen Hündin, das Belästigungen verhindern soll und einige Apothekerstandflaschen, in denen sie heute ihren Tee und Gewürze aufbewahrt, hat Carola Thalheim aber als Erinnerung behalten. 

Hirsch-Drogerie in Duingen 2017 geschlossen

Fritz Seidel hatte seine erste Drogerie in Hirschberg eröffnet. Nach dem zweiten Weltkrieg kam die Familie mit dem 1945 geborenen Sohn Volker nach Brunkensen und eröffnete dort 1949 wieder eine Drogerie. 1957 erfolgte der Umzug nach Duingen, seit 1959 hatte die Hirsch-Drogerie ihren Platz am Tie 9. Die Familie wohnte über dem Geschäft. Volker Seidel lernte sein Handwerk von 1963 bis 1966 in der Drogerie Thalheim. „Hans Thalheim war mein Lehrherr“, erinnert sich der 77-Jährige. Nach der Lehrzeit schlossen sich Bundeswehrzeit und der Besuch der Drogisten-Akademie an. „Da mein Vater kriegsbeschädigt war, habe ich dann gleich im elterlichen Betrieb gearbeitet und 1972 das Geschäft übernommen“, erklärt er. Auch in Duingen fand die Kundschaft auf 200 Quadratmeter Ladenfläche ein breites Warenangebot: sämtliche Drogerieartikel, wie Farben, Putzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Babynahrung, Parfümerie- und Reformhausprodukte. Auch die Fotografie hatte ihren Platz. Als die Drogeriemärkte eröffneten, griffen die Kunden auf die günstigen Angebote zurück. „Wir hatten ja eine Einkaufsgemeinschaft in der Region, aber unsere Einkaufspreise lagen immer noch über den Verkaufspreisen der Märkte“, erzählt Volker Seidel. „Wir haben das Angebot dann angepasst, mit Passfotos hatten wir ein weiteres Standbein. Und besonders im ländlichen Bereich halten Stammkunden inhabergeführten Geschäften die Treue. Aber es gab keine Chance, einen Nachfolger zu finden“, so Volker Seidel. Somit war 2017 Schluss. Die Schaufensterflächen stellt Volker Seidel Vereinen zur Verfügung. „Damit es nicht so leer aussieht.“

Die Löwen-Drogerie Anfang der 1960er Jahre.

Gronau: Von der Löwen-Drogerie zur Parfümerie Ringfoto Ahrens 

Seit 1924 hat der Familienbetrieb seinen Platz an der Hauptstraße 7 in Gronau. Eröffnet hat die Löwen-Drogerie Elena Ahrens‘ Großvater Heinrich Ahrens. Seinen Beruf lernte er bei verschiedenen pharmazeutischen Großhandlungen, wurde in der Wirtschaftskrise arbeitslos und entschied sich für die Selbstständigkeit. Die erste Einrichtung erwarb er für 1.000 Reichsmark. Chemikalien, Farben, Lacke, Spirituosen, Tabakwaren, Tierarzneimittel und Gesundheitsprodukte gehörten zum Sortiment. Auch eine Dunkelkammer mit kleinem Fotolabor war vorhanden. Während des zweiten Weltkrieges führte seine Frau Else das Geschäft. Nach seiner Ausbildung in Uslar und weiteren Stationen in Göttingen (Drogisten-Fachschule), Braunschweig, Berchtesgaden und Wildbad wurde Sohn Hans Heinrich Ahrens 1959 in der väterlichen Drogerie tätig. „Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich in den 1960er Jahren das hiesige Schwimmbad mit Chlorbleichlauge beliefert habe. Bis auf den Fahrersitz waren bei meinem VW Käfer alle Sitze ausgebaut und so konnte ich ihn zum Transport nutzen“, erzählt der heute 86-Jährige. 

Durch einen Umbau 1961 wurde die Verkaufsfläche von 20 auf 55 Quadratmeter erweitert. Der Bau eines Lagerhauses machte ein größeres Angebot möglich.1962 wurde Hans Heinrich Ahrens Teilhaber, 1973 übernahm er den Betrieb. „Ein Einkaufsverbund, in dem damals 65 Drogerien aus dem hiesigen Gebiet organisiert waren, machte günstigere Preise möglich“, erklärt Hans Heinrich Ahrens. Heute gibt es kaum noch inhabergeführte Drogerien. Der Konkurrenz der neuen Drogeriemärkte begegnete Familie Ahrens mit hochwertigen Kosmetik- und Parfümerieartikeln und mit entsprechender Beratung. Exklusive Depots wie Lancaster, Biotherm und Boss holte Hans Heinrich Ahrens‘ Ehefrau Christa nach Gronau. Der Fotobereich lief ebenfalls weiter, hier gab es mit Ringfoto einen leistungsstarken Partner. 1980 erfolgte dann eine Vergrößerung der Ladenfläche auf 150 Quadratmeter. 1994 entstanden ein Kosmetik- und Fußpflegestudio. 

Vielfältiges Angebot und fachkundige Beratung

Seit 2003 ist Elena Ahrens Inhaberin. Gemeinsam mit ihren vier Mitarbeiterinnen hat die 45-jährige Drogistin, die ihre Ausbildung in Sarstedt absolvierte, das Hauptaugenmerk auf hochwertige Kosmetik, Düfte, trendige Accessoires wie Handtaschen und den Fotobereich gelegt. In der Beauty-Lounge werden Kundinnen und Kunden mit Kosmetikbehandlungen, Pediküre, Maniküre und Wellness-Massagen verwöhnt. Die Foto-Lounge sorgt für das optimale Bewerbungsfoto, ein den Anforderungen entsprechendes Passfoto, hat den richtigen Rahmen für das Lieblingsfoto und für ganz viele Fotos ein passendes Album. Das komplette Angebot finden Interessierte unter www.parfuemerie-ahrens.de. 

Mitte der 1960er Jahre: Volker Seidel (Zweiter von links) mit seinem Lehrherren Hans Thalheim (Dritter von rechts) und weiteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Drogerie Thalheim.

Und ganz ist auch die Drogerie nicht verschwunden. „In unserem näheren Umfeld haben wir zwei Senioreneinrichtungen. Da der Weg zu den Einkaufsmärkten zu weit ist, kaufen die Bewohnerinnen und Bewohner bei uns beispielsweise Zahnpasta oder andere Artikel zur Körperpflege. Der Weg ist bequem auch mit dem Rollator zu bewältigen. Kerzen, Servietten und kleine liebevoll verpackte Geschenke rund um die Körperpflege runden das Angebot ab“, erklärt Elena Ahrens. „Wir haben hier in Gronau eine wirklich schöne Stadtmitte, profitieren davon, dass wir Parkplätze direkt vor dem Geschäft haben und besonders der Wochenmarkt am Freitag ist ein Magnet nicht nur für die Gronauerinnen und Gronauer. Bisher sind wir auch von Leerständen verschont geblieben. Ich hoffe, dass das so bleibt und wir hier in Gronau mit unseren Fachgeschäften punkten können.“ Geöffnet ist das Geschäft an der Hauptstraße 7 montags bis donnerstags von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 18 Uhr, freitags von 9 bis 18 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr. Telefonisch sind Elena Ahrens und ihre Mitarbeiterinnen unter (0 51 82) 22 17 zu erreichen. 

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