30.06.2021 (sr)
Am 12. September 2021 entscheiden die niedersächsischen Wahlberechtigten, wie sich die kommunale Politik in der kommenden Legislaturperiode aufstellt. Eine Kandidatin und zwei Kandidaten möchten in Alfelds Rathaus als Bürgermeisterin oder Bürgermeister einziehen bzw. den Chefsessel behalten. Rot, Grün oder Schwarz? Für Kerstin Funk-Pernitzsch (Bündnis 90/Die Grünen) ist es der erste Versuch, Andreas Behrens (CDU) nimmt zum zweiten Mal Anlauf und Amtsinhaber Bernd Beushausen (SPD), der seit 2006 der Leinestadt als Oberhaupt vorsteht, hofft auf eine Wiederwahl.
1. Was treibt Sie an, für das Amt des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin zu kandidieren?
Andreas Behrens: Ich will für meine Wahlheimatstadt Alfeld etwas bewirken. Meinen Einstieg in das Ehrenamt habe ich über „Ab in die Mitte“ gefunden, damals habe ich festgestellt, dass es mir Spaß macht Dinge anzuschieben, die unsere Stadt lebenswerter machen. Im Laufe der Zeit ist dann noch eine gewisse Unzufriedenheit darüber, wie es in Alfeld läuft, dazu gekommen. Wer nicht versucht etwas zu verändern, darf sich nicht beschweren, wenn es sich nicht ändert! Und wo kann ich besser etwas verändern als im Rathaus? Das Ergebnis der Wahl von 2016 hat mir gezeigt, dass es viele Menschen in Alfeld gibt, die sich eine Veränderung wünschen, daher habe ich mich entschieden, noch einmal anzutreten und meine Partei hat mich ins Rennen geschickt.
Bernd Beushausen: Die Menschen in Alfeld und in ihren Ortsteilen, liegen mir am Herzen. Sich für die Fortentwicklung meiner Geburts- und Heimatstadt einzusetzen, bedeutet für mich, dass Beruf und Berufung ganz nah beieinander liegen. Ich übe das Amt des Bürgermeisters mit dem notwendigen Respekt furchtbar gerne aus. Das glaube ich, spüren die Menschen und auch dies motiviert mich, mich erneut zur Wahl zu stellen.
Kerstin Funk-Pernitzsch: Ich stehe für einen Wechsel in Alfeld. Einen Wechsel vom Verwalten des Stillstands zum Gestalten der Zukunft: Ein „weiter so wie bisher“, kann sich Alfeld nicht mehr leisten. Ich stehe für eine Politik, die nicht nur Macht manifestieren möchte, sondern die wirklich an den Inhalten arbeitet und handelt. Es geht um uns alle, die BürgerInnen Alfelds, wie wir in Zukunft leben wollen, wie wir Alfeld voranbringen wollen. Ich möchte den AlfelderInnen mit meiner Kandidatur ein Angebot machen jenseits des „etablierten“ Duos zur letzten Wahl, denn wir müssen jetzt alles dafür tun, damit die nachfolgenden Generationen eine Zukunft haben. Der Klimawandel wartet nicht.
2. Warum sollten die AlfelderInnen Ihnen ihre Stimme geben?
A.B.: Weil ich meine ganze Kraft dafür einsetzen werde, Alfeld zukunftsfähig aufzustellen. Ich möchte mein „Hobby“ (Ehrenamt ist sehr viel mehr als ein Hobby) zu meinem Beruf machen – da steckt das Wort „Berufung“ drin. Die wichtigen Themen unserer Zeit müssen schnell angegangen werden – Klimawandel – Überalterung der Bevölkerung – Digitalisierung und das auch auf unserer Ebene und alles vor dem Hintergrund maroder Stadtfinanzen. Dazu bin ich bereit! Ich bringe mit meiner Erfahrung als Selbstständiger ein wirtschaftliches Denken mit und arbeite als Energieberater seit 2005 daran mit, unser Klima zu schützen. Ich bin nicht in Verwaltungsdenkstrukturen gefangen „geht nicht – gibt’s nicht“, wenn ich von etwas überzeugt bin, finde ich auch (meistens) eine Lösung es umzusetzen!
B.B.: Die EinwohnerInnen und ich bilden ein gutes und bewährtes Team. Wir können uns aufeinander verlassen, wie unter anderem die Bewältigung der Hochwassersituation 2017 gezeigt hat. In diesen schwierigen Zeiten, verbieten sich Experimente. Erfahrung und Kompetenz im Amt sind und bleiben notwendig, um unsere Heimatstadt weiter voranzubringen. Auf die Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ihnen Chancen aufzuzeigen, offen zu sagen was möglich ist und was nicht, war und ist die Maxime meines Handelns. Trotz angespannter Haushaltslage wird es uns mit Unterstützung der Menschen vor Ort unter meiner Verantwortung weiterhin gelingen, für die anstehenden Herausforderungen kreative Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen.
K.F.-P.: Jede Stimme ist Verantwortung und Auftrag zugleich, das nehme ich sehr ernst. Ich bin überzeugt von unserer Demokratie und stelle mich mit Respekt und Demut, mit all meinem Wissen und all meiner Kraft in den Dienst unserer Stadt. Ich möchte ernsthaft, ehrlich und schneller als bisher die Zukunftsaufgaben unserer Stadt anpacken. Dazu gehören Klimaschutz, Anpassung an die Folgen des Klimawandels, gutes, bezahlbares und gleichzeitig ökologisches Wohnen sowie eine offene Stadtgesellschaft, in der jeder Mensch gut und frei leben kann. Uns muss dabei bewusst sein, dass diese Aufgaben nur mit einer soliden und nachhaltigen Wirtschaft, die für die entsprechenden Arbeitsplätze sorgt, bewältigt werden können.
3. Für den Fall Ihrer Wahl, welche beiden Projekte haben für Sie besondere Priorität?
A.B.: Die Attraktivitätssteigerung unserer Innenstadt. Dabei muss eine Lösung für den Umgang mit SEVESO III gefunden werden und wir müssen gemeinsam eine Strategie entwickeln, wie Alfeld sich aus dem Einheitsbrei der vergleichbaren Innenstädte so abhebt, dass die Menschen hierherkommen. Da spielen aber ganz viele Themen mit hinein. Den Zuzug von Familien stärken, den Menschen ein attraktives Lebensumfeld anbieten, damit die Firmen Fachkräfte finden, unsere Stadt insgesamt klimafreundlicher aufzustellen, das Erscheinungsbild unserer Stadt und der Ortsteile verbessern, die Ortsteile bestmöglich mit der Stadt vernetzen, um nur einige zu nennen. Das alles in einer Nach-Corona-Phase und unter dem demografischen Wandel – sicher eine große Herausforderung. Das Sortieren unserer Finanzen: Alles was wir in und für Alfeld anschieben wollen, steht und fällt mit einer soliden Finanzierung. Leider haben wir die letzten Jahrzehnte auf Pump gelebt und uns damit unsere Beweglichkeit genommen, auf die Herausforderungen, denen wir jetzt begegnen, zu reagieren. Auch das ist ein Thema, das mit vielen anderen Themen eng vernetzt ist. Digitalisierung der Verwaltung, Modernisierung der städtischen Gebäude, um Energie einzusparen, Optimierung der Abläufe, um ein weiteres Anwachsen der Verwaltung zu verlangsamen und den Zuzug von Firmen und Menschen unterstützen, um unsere Infrastruktur sinnvoll nutzen und finanzieren zu können. Da gibt es viele Stellschrauben, die optimiert werden müssen und das wird auch nicht von heute auf morgen gehen – aber wir müssen das dringend angehen!
B.B.: Es sind deutlich mehr als zwei. Zu aller erst wird es darauf ankommen, sich mit den Folgen der Corona-Krise aktiv auseinander zu setzen. Neben Handel, Industrie und Gewerbe und den Menschen im Gesundheitswesen haben auch unsere Kinder und Jugendlichen im Moment viel zu tragen. Es ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der veränderten Betreuungs- und Beschulungssituation, bei dem einen oder anderen auch Defizite entstanden sein könnten. Unsere Familien sind bestmöglich zu unterstützen. Dies kann nur in einem gemeinsamen Projekt zwischen Kindergärten, Schulen, Stadtjugendpflege und Verwaltung erfolgen. Entsprechende Gespräche und Planungen haben bereits begonnen. Selbst ohne unsere „Seveso III-Problematik“ müssen wir über unsere Innenstadt neu nachdenken. Die Corona-Krise hat ganz deutlich gemacht, dass sich historische Innenstädte neu erfinden und anders aufstellen müssen. Die Erfahrungen zeigen, dass großflächiger Einzelhandel kaum mehr in die Innenstadt gehen wird. Es wird vielmehr darauf ankommen, mit intelligenten Ideen, als Beispiele seien hier nur die Schlagworte coworking spaces, fest verortete Kulturangebote, hochwertiges Wohnen in der Innenstadt genannt, zur Belebung beizutragen. Ich trete dafür ein, dass wir uns im Rahmen eines transparenten Prozesses der BürgerInnenbeteiligung auf den Weg machen, wieder in das Programm der Städtebauerneuerung aufgenommen zu werden. Mit den dann zu erwartenden hohen Fördermitteln haben wir eine gute Chance, unsere Innenstadt in ihrer Struktur noch zukunftsfähiger zu machen.
K.F.-P.: Bei meinen Besuchen von Institutionen, Unternehmen, Vereinen aber auch von Privatpersonen höre ich oft, dass auf Anliegen an die Stadt nicht schnell genug oder gar nicht reagiert wird. Das möchte ich ändern, denn es geht nicht nur darum, dass etwas bei der Stadt ankommt, sondern auch, dass es gut verarbeitet beziehungsweise umgesetzt wird.
Deshalb möchte ich eine Servicestelle einrichten, die sich ausschließlich um Anliegen an die Stadt kümmert, innerhalb der Verwaltung verteilt und koordiniert wird und den BürgerInnen schnelle und konkrete Rückmeldungen gibt. Diese Servicestelle muss für alle erreichbar sein, ob per E-Mail, per Telefon oder per persönlichem Besuch. Damit gibt es Informationen und Rückmeldungen aus einer Hand – ein lästiges Durchstellen von Telefonaten, wer zuständig ist, entfällt. Die Verwaltung wird dadurch zeitlich entlastet, weil sie sich ausschließlich der Facharbeit widmen kann. Als zweiten Punkt möchte ich Alfeld auf den Weg zu einer nachhaltigen Kommune führen. Dazu hat der Deutsche Städtetag eine Musterresolution entworfen: „2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“, welche ich als erstes in den Rat zur Diskussion und Abstimmung geben möchte. Diese Resolution wäre ein Bekenntnis aller im Rat vertretenen Parteien, Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Rahmen unserer Möglichkeiten bei all unseren Entscheidungen zukünftig mitzudenken und umzusetzen.
Aus kommunaler Perspektive sind vor allem folgende Ziele relevant: Städte und Siedlungen sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu machen, den Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle zu sichern, eine belastbare Infrastruktur aufzubauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung zu fördern, Innovationen zu unterstützen und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen zu ergreifen. Es muss uns bewusst werden, dass Klimaschutz nicht nur eine Bedrohung ist, sondern gerade auf kommunaler Ebene viele Chancen bietet. Allerdings stehen diese Chancen nur den Kommunen zur Verfügung, die sich rechtzeitig „bewegen“. Daher muss die bisherige Politik der Mutlosigkeit durch aktives Handeln ersetzt werden.
4. Die Stadt Alfeld (Leine) soll ein neues Leitbild erhalten (SIEBEN: berichtete in der Juni-Ausgabe). Auf welche drei Punkte sollte hier ein besonderes Augenmerk gerichtet sein?
A.B.: Wir müssen die Interessen der Kinder- und Jugendlichen ausreichend berücksichtigen und auch für eine Mitsprache dieser Gruppe sorgen. Dabei könnte das Modell von „Kinderdeputierten“ in den entsprechenden Ausschüssen des Rates ein erster Ansatz sein. Bisher haben die Kinder und Jugendlichen eine zu geringe Lobby. Das Thema Klimaneutralität ist sicher eines, was in einem Leitbild verankert werden muss. Das ist eine Aufgabe, die alle Lebensbereiche berührt und daher auch bei allen Entscheidungen mitberücksichtigt werden muss. Wir dürfen uns in unserer Entwicklung nicht wieder so stark einschränken. Als das letzte Leitbild entwickelt wurde, mag es eine aus damaliger Sicht gute Herangehensweise gewesen sein, auf eine reine Innenentwicklung zu setzen und Neubaugebiete auszuschließen. Dazu gehört auch das Innenstadtsortiment bei den Geschäften.
Die Empfehlungen aus dem Leitbild wurden dann ja auch sehr restriktiv umgesetzt und mit dem Status eines Ratsbeschlusses behandelt. Außerdem muss ein wesentlich kürzerer Überprüfungszyklus verankert werden – die Zeiten werden immer schnelllebiger und die Entwicklung der nächsten zehn Jahre kann niemand seriös voraussagen. Daher müssen wir öfter schauen, ob unsere Vorgaben noch passen.
B.B.: Wie uns die Fridays for Future Bewegung sehr deutlich vor Augen geführt hat, wird einer der Schwerpunkte die Weiterentwicklung des schon im alten Leitbild verankerten Grundgedankens des nachhaltigen Handelns sein. Ein Leitbildziel könnte sein, in allen Lebensbereichen Ressourcenschonung und CO2-Reduktion noch deutlicher nach vorne zu stellen. Die Stadt Alfeld (Leine) besteht aus den Ortsteilen und der Kernstadt. Im Schwerpunkt ist die soziale und kommunale Infrastruktur in der Kernstadt angesiedelt und dies ist auch richtig so. Ein wichtiges Ziel der Leitbilddiskussion wäre, dafür Sorge zu tragen, dass insbesondere über die Bereiche ÖPNV und Individualverkehr (E-Mobilität, E-Bike etc.), eine noch bessere Erreichbarkeit der Kernstadt von den Ortsteilen und umgekehrt, erfolgt. Der dritte Punkt ist das Thema Digitalisierung. Die Verwaltung muss und wird noch digitaler werden. Die Menschen müssen aber auch die Möglichkeit haben, aufgrund einer stetig zu verbessernden digitalen Infrastruktur entsprechende Angebote nutzen zu können. Auf der anderen Seite darf Digitalisierung nicht zur Ausgrenzung führen. Es gibt immer noch Menschen, die zum einen Berührungsängste habe, diese kann man mit dem Thema vertraut machen. Es gibt aber solche, die sich eine digitale Infrastruktur zu Hause einfach nicht leisten können. Deshalb wird es wichtig sein, auch im Leitbild zu verankern, dass gerade die kommunale Daseinsvorsorge bei noch stärkerer Digitalisierung weiterhin auch durch persönlichen Kontakt in Anspruch genommen werden kann.
K.F.-P.: Im Grunde genommen sollte das neue Leitbild Alfelds ganz klar auf Nachhaltigkeit als Oberthema ausgelegt werden, an welchem wir all unser zukünftiges Handeln messen und schärfen müssen. Das Leitbild einer nachhaltigen Kommune basiert auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit: Soziales, Wirtschaft und Ökologie. Darunter fallen zum Beispiel Aspekte, wie wir mit dem Klimawandel umgehen möchten, wie wir zukunftsfähige Energien nutzen wollen, wie nachhaltige Mobilität umgesetzt werden kann, wie der soziale Zusammenhalt in der Stadt gefördert werden kann, wie wir eine nachhaltige Verwaltung und eine nachhaltige Finanzpolitik umsetzen wollen.
5. Seit Jahren ist die Bevölkerungszahl in Alfeld rückläufig. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
A.B.: Insgesamt ist die Bevölkerung im ländlichen Raum rückläufig. Davon ist natürlich auch Alfeld betroffen. Allerdings wurde die Situation bei uns noch durch Entscheidungen der Vergangenheit zusätzlich verschärft. Wir haben die Situation, dass mehr Menschen nach Alfeld zur Arbeit pendeln als in die andere Richtung. Es stellt sich also die Frage, warum diese Menschen nicht hier wohnen möchten? Mit dem letzten Leitbild wurde das Motto ausgegeben, keine neuen Baugebiete auszuweisen und darauf zu setzen, dass Menschen, die nach Alfeld kommen wollen, sich mit den Bestandsimmobilien beschäftigen. Das ist aber nicht jedermanns Sache und so entscheiden sich viele Menschen, in den Nachbarkommunen zu bauen und dort zu leben. Bis das neue Baugebiet in Gerzen für Zuzug sorgt, geht noch einige Zeit ins Land. Wir als CDU in Alfeld haben die Forderung nach einem neuen Baugebiet das erste Mal 2017 formuliert – es hat dann noch drei Jahre gedauert, bis die politische Diskussion soweit war, in Richtung neuer Bauplätze zu denken und erst 2021 wurde die Entscheidung getroffen ein neues Baugebiet auszuweisen. Wir sind aktuell noch nicht bereit, von der Tendenz wieder aus den großen Städten „aufs Land“ zu ziehen, zu profitieren.
B.B.: Die Bevölkerungszahl in der Stadt Alfeld (Leine) sinkt aus dem Grund, dass die Zahl der Versterbenden höher ist, als die Anzahl der Geburten. Diese beide Demografiesäulen kann Politik, zumindest auf der kommunalen Ebene, kaum verändern. Die mittlere demografische Säule, die des Zu- und Wegzugsverhaltens, ist für Kommunalpolitik die spannendere. Seit dem Jahre 2014 hat die Stadt Alfeld (Leine) ein durchschnittliches Zuzugsplus von 27, in den letzten beiden Jahren sogar jeweils von 50 Menschen pro Jahr. Unsere Entscheidung, die kommunale Infrastruktur nicht blind abzubauen, sondern sie bedarfsgerecht anzupassen, war richtig. Wie die durchdachte Schulentwicklungsplanung gezeigt hat, haben wir zwar Schulen vom Netz genommen, auf der anderen Seite die bestehenden Standorte ganz erheblich baulich und auch digital gestärkt. Solche Maßnahmen beeinflussen tatsächlich mittelfristig positiv das Zu- und Wegzugsverhalten. Die Durchschnittsstadt, die sich mit den Herausforderungen des demografischen Wandels auseinandersetzen muss, hat auch bei dieser mittleren Säule ein strukturelles hohes Defizit, was wir in ein Plus aufgrund unserer konstruktiven, kreativen Politik haben umwandeln können.
K.F.-P.: Angesichts der Tatsache, dass in dem gleichen Zeitraum die Bevölkerung in Deutschland leicht gewachsen ist, muss man leider feststellen, dass unsere Region von Abwanderung – insbesondere der jüngeren Generationen – betroffen ist. Das hat leider nicht nur zur Folge, dass die Bevölkerungszahlen sinken, sondern auch, dass sich der demografische Wandel bei uns stärker auswirkt, als im Rest des Landes. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig. Aber wir müssen der Wahrheit ins Gesicht sehen und feststellen, dass unser Alfeld in puncto Attraktivität im Vergleich zu anderen Städten verloren hat. Diesen Trend gilt es umzukehren, damit wieder mehr Menschen zu uns nach Alfeld ziehen werden, Alfeld als ihre neue Heimat wählen. Damit dies geschehen kann brauchen wir eine attraktive Stadt, gute Schulen, kulturelle Einrichtungen, einen guten ÖPNV und attraktiven und bezahlbaren Wohnraum. Daher ist es umso wichtiger, dass die bisherige Politik der Mutlosigkeit im September abgewählt wird.
6. Was muss getan werden, um junge Menschen und Familien für Alfeld zu begeistern bzw. sie hier zu halten?
A.B.: Die schon vorhandenen Strukturen (Vereine, Sportangebot, Schulen, KiTas usw.). müssen auf einem hohen Niveau erhalten bleiben. Ohne diese Faktoren, macht es einfach keinen Spaß, hier zu leben. Für gefährdete Einrichtungen wie das Kino, müssen wir Lösungen suchen. Es sollte eine Willkommenskultur eingeführt werden, die es neu zugezogenen Familien oder frisch gebackenen Eltern leichter macht, sich zu orientieren und die Hürden abbaut. Am besten ein Ansprechpartner bei der Verwaltung, bei dem alle Themen rund um Zuzug und Geburt abgewickelt werden können, ohne zu verschiedenen Ämtern laufen zu müssen und von dem aus auch Kontakte zu Sportvereinen usw. hergestellt werden können. Die Einbindung der neuen Baugebiete in den ÖPNV muss optimal gelöst werden, damit das Argument „auf dem Land braucht man zwei Autos“ nicht gegen Alfeld spricht. Die Versorgung mit schnellem Internet ist inzwischen ja eine „Selbstverständlichkeit“, die einfach erwartet wird, da müssen wir auf jeden Fall am Ball bleiben.
B.B.: Ich glaube, Grundvoraussetzung ist für ein Mittelzentrum wie Alfeld, das nicht vor den Toren einer Großstadt liegt, dass ausreichend interessante und gut bezahlte Arbeitsplätze vorhanden sind. Wir sind ein traditioneller Industriestandort mit innovativen Betrieben und weisen eine überdurchschnittliche Arbeitsplatzdichte auf. Das Vorhandensein von interessanten Arbeitsplätzen ist aber nur ein Punkt in der Betrachtung von jungen Familien. Früher hat man gesagt, es wären weiche, heute sage ich, es sind harte Standortfaktoren. Es geht den Familien darum, sich in der städtischen Gesellschaft wohl zu fühlen.
Dies bedeutet, es müssen ausreichend Kinderbetreuungs-, schulische, Freizeit und Kulturangebote vorhanden sein. Hier sind wir sehr gut aufgestellt, müssen aber am Ball bleiben und uns stetig verbessern. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Tatsache, dass ausreichend, durchaus auch hochwertiger, Wohnraum zur Verfügung steht. Neben dem Aspekt der Nachverdichtung – also des Lückenschlusses von Baulücken- und des Abverkaufs altersbedingt entstandener Leerstände, muss die Möglichkeit gegeben sein, selbst neu zu bauen. Hierzu haben wir das Baugebiet Königsruh mit 17 neuen Bauplätzen mittlerweile erschlossen. Als nachfolgendes Baugebiet ist der Bereich der Grünenplaner Straße in Gerzen festgelegt. Hier werden circa 60 neue Bauplätze entstehen. Wichtig ist und bleibt zudem die gute Erreichbarkeit unserer Stadt über die B3 und die Bahnlinie, die wir weiter im Blick behalten und ausbauen müssen. Ohne attraktive Innenstadt, würde ein entscheidender Faktor fehlen. Im Rahmen der Leitbilddiskussion und der Beantragung der Aufnahme in die Städtebauförderung, werden wir deren Aufenthaltsqualität noch erheblich weiter steigern.
K.F.-P.: Wir müssen die Stadt so gestalten, dass sie zu einem Ort wird, wo man gerne bleibt, gerne zurückkommt oder sie zu einem Ort der neuen Heimat wird. Dies gilt nicht nur für junge Menschen, sondern allgemein für alle. Um junge Menschen und Familien zu begeistern und zu halten, müssen wir uns darauf einlassen zu schauen, was die Bedürfnisse von jungen Menschen und Familien wirklich sind. Wir sollten die BürgerInnnen befragen und ihre Stadt mitgestalten lassen. Denn über die Jungen zu reden ist etwas anderes als mit ihnen ihre Zukunft zu gestalten.
Neben einer attraktiven Infrastruktur, guten Wohnmöglichkeiten und unserer wunderbaren Natur im Leinebergland ist das emotionale Klima in der Stadt von entscheidender Bedeutung.
7. Die Wahlprogramme von Union, Sozialdemokraten und den Grünen zur Bundestagswahl sind bereits einsehbar. Klima, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit usw.: Die Themen sind gleich, die Vorschläge zur Umsetzung weichen ab. Warum sollten WählerInnen am 26. September 2021 CDU, SPD beziehungsweise Bündnis 90/Die Grünen wählen?
A.B.: Die CDU ist die letzte verbliebene Volkspartei, die für eine ausgeglichene Gesellschaft steht. Ohne mit ideologischem Übereifer eine Neid- und Umverteilungsdebatte zu führen, gehen wir die wichtigen Themen mit Augenmaß an, ohne die Menschen zu überfordern. Wir grenzen niemanden aus und wehren uns gegen die extremen Strömungen am rechten und linken Rand der Gesellschaft. Diese Politik ist nicht immer einfach, dauert manchmal länger und ist meist auch nicht „sexy“, aber sie hat uns gut durch die schwierigen Zeiten der letzten Jahre gebracht und wird auch die Zukunftsthemen lösen. Die CDU steht für eine ausgewogene Politik, die um den gesellschaftlichen Konsens ringen wird – einige der Parteien die antreten, versuchen durch Spaltung der Gesellschaft Stimmen zu fischen. Das ist hochgefährlich! Armin Laschet ist vielleicht kein begnadeter Rhetoriker und polarisiert auch nicht so stark wie es vielleicht der eine oder andere Anwärter auf die Kanzlerkandidatur gemacht hätte, aber mit der unauffälligen Art mit der er sein Bundesland führt, kann er zu einem Kanzler für alle Menschen in Deutschland werden. Ich glaube es ist seine Stärke, viele Strömungen zu vereinen und er kann zu einem „Fels in der Brandung“ ähnlich wie Angela Merkel werden. Und nachdem etwas Ruhe in die sehr überhitzte Debatte um seine Kandidatur gekommen ist, werden das viele andere auch so sehen.
B.B.: Natürlich ist es so, dass alle staatstragenden demokratischen Parteien, gerade unter dem Brennglas von Corona, die benannten Themen als Schwerpunkt für sich erkannt haben. Die liegt auf der Hand, weil es tatsächlich die entscheidenden Zukunftsthemen sind.
Die SPD, meine Partei, zeichnet sich dadurch aus, dass die Transformationsprozesse, die vor uns liegen, eben nicht einseitig zu Lasten des einen oder anderen Klientels erfolgen. Insbesondere achtet die SPD darauf, dass nicht nur die, die es sich leisten können, zum Beispiel vom ökologischen Wandel profitieren, sondern dass diese Herausforderung sozial gerecht auch für die Menschen leistbar ist, die über ein kleines Einkommen verfügen. Es gilt der alte sozialdemokratische Satz: „Breitere Schultern haben mehr zu tragen, als schmalere“. Dies kann man einfach mit dem Wort Solidarität beschreiben. Dies unterscheidet die SPD deutlich und positiv von den Mitbewerbern. Daher macht es Sinn, der ältesten Partei Deutschlands, die in ihrer Geschichte mehrfach bewiesen hat, dass sie Verantwortung im Sinne aller bereit ist zu übernehmen, am 26. September die Stimme zu geben.
K.F.-P.: Wir Grünen haben unser Wahlprogramm auf dem Bundesparteitag am 13.06.2021 verabschiedet. Online kann es unter https://www.gruene.de/artikel/wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2021 abgerufen werden. Einige Themen sind von den reinen Worten her bei vielen Parteien gleich, was die einzelnen Parteien jedoch darunter verstehen, ob die Themen tatsächlich umgesetzt werden oder ob es nur bei reinen Lippenbekenntnissen bleibt, weil Klimaschutz und Nachhaltigkeit gerade en vogue sind, steht auf einem anderen Blatt. Das möchte ich verdeutlichen: Grün wählen heißt einen klimagerechten Wohlstand als Grundlage für eine lebenswerte Zukunft zu wählen. Mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm führen wir unser Land auf den 1,5-Grad-Pfad. Vor allem GeringverdienerInnen entlasten wir mit einem Energiegeld, einer Reduzierung der EEG-Umlage und Klimabonus – so wird Klimaschutz sozial gerecht. Mit jährlichen Investitionen von 50 Milliarden Euro in die sozial-ökologische Transformation schaffen wir sichere Arbeitsplätze. Und im Übrigen ist es eine Mär, dass die Grünen die Benzinpreise erhöhen wollen und mit den Grünen alles teurer wird. Schon am 10. November letzten Jahres ist die Änderung des Brennstoffemissionsgesetzes in Kraft getreten. Die Bundesregierung hat dies beschlossen. Dies war eine Maßnahme des Klimaschutzprogramms 2030. Die Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise, die schrittweise Anhebung der CO2-Bepreisung, haben SPD und CDU/CSU beschlossen. Das sind nun auch diejenigen, die jetzt so tun als ob nur mit einer grünen Kanzlerin diese Erhöhungen kommen.