© Susanne Röthig

Risikopatient Innenstadt

Genügend Antikörper vorhanden?

(17.04.2020 / Susanne Röthig)
Alfelds Innenstadt ist vorerkrankt: Leerstände, Bauruinen, Seveso III, HQ 100, Denkmalschutz, Versandhandel lassen geplante Operationen teilweise nicht zu, verzögern sie zumindest oder führen zu unsinnigen Eingriffen. Corona macht die Lage nicht besser.

© Susanne Röthig

Seit mehr als 50 Jahren lebe ich hier und das auch noch sehr gern. Besonders in der jetzigen Situation weiß ich zu schätzen, dass ich auf dem Land lebe. Ausreichend Bewegungsfreiheit, Wälder, Wiesen machen die Lage einfacher. Oft denke ich an die Hochhäuser in den Großstädten, stelle mir das Leben in einer Mietwohnung mit zwei kleinen Kindern, die nicht auf den Spielplatz und nicht in die Schule dürfen, vor. Da lebe ich doch in der Kleinstadt wunderbar. Ich mag es, von meiner Lieblingsverkäuferin im Modehaus Magnus beraten zu werden, plaudere im Blumenladen Terwort gern mit den Mitarbeiterinnen, genieße seit 1983 das italienische Essen im Rimini und freue mich, wenn ich im Supermarkt vertraute Gesichter sehe und sich durch persönliche Kontakte Möglichkeiten ergeben, die zum Wohl der Gemeinschaft umgesetzt werden können. Das alles bedeutet für mich Wohlbefinden und das möchte ich mir erhalten. Auch mit und nach Corona.

Einschränkungen werden bleiben, Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln sichern unser aller Gesundheit. Aber wir müssen Antikörper bilden, damit der Patient Innenstadt am Leben bleibt. Viele Geschäfte sind sehr kreativ geworden: Lieferdienste, kontaktfreie Übergabemöglichkeiten in der Gastronomie und Geschäften, telefonische Beratung, Hygienemaßnahmen, Gutscheinsystem, online-Verkauf. Wir sollten die angebotenen Behandlungsmöglichkeiten nutzen. Ärzte und Therapeuten wie die Standortgemeinschaft, das Forum Alfeld Aktiv, die Stadtvertreter, die Geschäftsinhaber versuchen ihr Möglichstes.

Die Innenstadt wird auf Dauer weiterleben, wie eingeschränkt, haben wir ein bisschen selbst in der Hand. Vielleicht werden Wohnhäuser im Vordergrund stehen. Aber auch hier sind natürlich zeitgemäße Konzepte gefragt, die das Wohnen in der Stadt attraktiv machen und vielleicht auch mal einen Abriss erfordern. Gesetze regeln unser Miteinander sehr gut. Doch bei manchen Vorschriften ist es fraglich, ob das Wohl der Bevölkerung nicht zu wenig Beachtung findet. Auflagen und Dokumentationspflichten in nahezu allen Bereichen sorgen für immer mehr Bürokratie und verhindern manchmal Kreativität und Eigeninitiative kleinerer und regionaler Anbieter. Politik und Gesetzgebung sind hier gefragt.       

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