(01.07.2020 / sr)
Hegeringe sind eine organisatorische Einheit der Jagenden vor Ort unter dem Dach des Deutschen Jagdverbandes. Die Revierinhaber führen Hegemaßnahmen in den Revieren durch, die nicht nur dem jagdbaren Wild, sondern der kompletten Flora und Fauna zugutekommt. Aspekte des Naturschutzes werden berücksichtigt und damit die Artenvielfalt gefördert. Zur Jägerschaft Alfeld gehören insgesamt acht Hegeringe.
SIEBEN:regional hat bei Uwe Stave, Leiter des Hegeringes 1, nachgefragt.
Sieben: Warum ist es wichtig, den Wildbestand zu bejagen und somit die Abschusszahlen, die von der Unteren Jagdbehörde vorgegeben und kontrolliert werden, einzuhalten?
Uwe Stave: Jäger sind durch das Bundesjagdgesetz zur Hege und zum Schutz der Natur verpflichtet, denn nur vielfältig strukturierte und möglichst naturnahe Lebensräume bieten Wildtieren sowie Pflanzenarten optimale Lebensräume. Die Jagd unterstützt somit die biologische Vielfalt. Somit sind Jagd und Naturschutz keine Gegensätze. Wildschweine und Rehe zum Beispiel richten nicht unbedeutende Schäden in der Land- und Forstwirtschaft an. Füchse haben kaum natürliche Feinde und breiten sich so weiter aus und dringen immer weiter in menschliche Siedlungsgebiete vor. Die Ausbreitung invasiver Arten wie beispielsweise Waschbär oder Nilgans soll eingedämmt werden, damit heimische Arten wie unter anderem Singvögel und Enten, geschützt und nicht verdrängt werden. Außerdem wird durch die Bestandsregulierung die Gefahr eines Ausbruchs von Tierkrankheiten wie Schweinepest, Räude, Staupe oder Tollwut verringert.
Sieben: Bekommen Sie da nicht Konkurrenz und Unterstützung von Luchs und Wolf?
Uwe Stave: Teils ja, teils nein. Jäger haben das Luchsprojekt im Harz gemeinsam mit den Landesforsten initiiert und finanziert. Ein Luchs beansprucht ein großes Streifgebiet und benötigt pro Woche etwa ein Stück Rehwild. Die Wölfe sind sehr schlaue Tiere. Da Schwarzwild sehr wehrhaft ist und ein Rudel bestenfalls bei einem Überläufer (Wildschwein im 2. Lebensjahr) Jagdglück hat, werden Nutztiere wie Schafe oder Muffelwild, das ursprünglich von den Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien stammt und daher den Wolf als Feind nicht kennt, bevorzugt. Denn bei diesen Tierarten, natürlich auch bei dem restlichen Schalenwild und auch dem Nutzvieh, besteht keine oder kaum eine Gefahr der Verletzung oder gar des zu Tode kommens für den Wolf. Für eine Bestandsregulierung von Reh- und Schwarzwild ist das zu wenig.
Sieben: Welche Schutz- und Hegemaßnahmen führen die etwa 135 Jagenden des Hegerings 1 durch?
Uwe Stave: Aktuell ist beispielsweise zu nennen, dass wir durch unsere enge Zusammenarbeit mit Landwirten, Wiesen, die gemäht werden sollen, am Vorabend nach Rehkitzen und Gelegen absuchen, um sie vor Tod oder Verletzung durch die Mahd zu schützen. Hier kommen teilweise auch Drohnen zum Einsatz. Außerdem ist es ganzjährig unsere Aufgabe, kranke oder verletzte Tiere aus dem Bestand zu entfernen, um sicherzustellen, dass sich die jeweilige Art gesund entwickelt und Tiere nicht unnötig leiden müssen. Des Weiteren schaffen wir Rückzugsgebiete durch Heckenpflanzung für alle Tiere vom Hasen bis zur Erdkröte, um ihnen zusätzliche Deckung und Äsung zu schaffen. Nist- und Fledermauskästen werden von uns ebenfalls aufgehängt und Biotope gepflegt. Alle Maßnahmen dienen auch den Tierarten, die nicht dem Jagdrecht unterliegen. Wir unterscheiden nicht, ob eine Art „nützlich“ oder „schädlich“ ist und liefern durch unsere ständige Beobachtung in den Revieren wichtige Informationen zur Bestandssituation von Wildtierarten und über die Entwicklung ihrer Lebensräume.
Sieben: Jagdgegner behaupten, dass intensive Hegemaßnahmen wie beispielsweise Fütterungen, den Wildbestand erhöhen, um so höhere Abschussquoten zu ermöglichen. Was sagen Sie dazu?
Uwe Stave: Wir unterliegen alle dem Jagdgesetz. Fütterungen sind verboten beziehungsweise nur in Notzeiten, also z. B. im strengen Winter mit viel Schnee, erlaubt. Nicht zu verwechseln mit einer Fütterung ist die sogenannte Kirrung, um Wildschweine anzulocken. Hier wird nur wenig Kirrmaterial an bestimmten Plätzen ausgelegt, um das Schwarzwild effizient bejagen zu können. Die Abschussregelung trägt dazu bei, dass ein gesunder, in seiner Sozialstruktur intakter Bestand aller Wildarten in angemessener Zahl erhalten bleibt.
Sieben: „Wildfleisch kommt aus der Region, ist hochwertig und schmackhaft – und man kann es gut als Steak oder Bratwurst auf den Grill legen!“, hat Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast gesagt. Was halten Sie davon?
Uwe Stave: Da bin ich voll bei der Ministerin. Ich kenne und schätze sie, da sie weiß, wovon sie spricht. Sie kommt vom Bauernhof und in ihrer Familie sind viele Jäger vertreten. Wildtiere ernähren sich ausschließlich vom Nahrungsangebot, das die Natur ihnen bietet. Wildfleisch ist für mich somit ein nachhaltiges Lebensmittel, das nicht durch Medikamentengaben belastet ist. Es ist mager, eiweißreich, cholesterin- und kalorienarm und bekömmlich. In manchen Regionen Deutschlands, besonders in Bayern, ist zwar noch eine radioaktive Belastung des Fleisches durch den Reaktorunfall in Tschernobyl messbar, aber alle aktuell untersuchten Proben aus Niedersachsen liegen weit unter dem von der EU festgesetzten Grenzwert. Die Tiere haben keinen Transportstress. Durch die Direktvermarktungsmöglichkeiten an den Endverbraucher, Restaurants oder Fleischereien in der Region sind die Wege ebenfalls kurz. Protokolle geben Auskunft über die Herkunft des Fleisches und die Jäger haben durch die strengen Regeln der Wildbrethygiene entsprechende Erfahrung und Sachkunde im Umgang mit dem Lebensmittel.
Sieben: Welches ist Ihr kulinarischer Favorit?
Uwe Stave: (lacht) Ob Wildschweinnackensteaks vom Grill, die Rehkeule aus dem Backofen oder das Hirschrücken-Carpaccio: Mir schmeckt jedes Wildfleisch. Auch Wurst, egal ob Mettwurst oder Bratwurst, und Schinken vom Wild sind auf meinem Speiseplan häufig vertreten. Der Deutsche Jagdverband hat ein schönes Rezeptheft aufgelegt, das Kunden bei uns erhalten. Da findet eigentlich jeder Fleischliebhaber seinen persönlichen Favoriten. (sr)