30. Oktober 2022 – 05. März 2023
Die 1883 geborene Keramikerin Gertrud Kraut ist vielen Leuten heute nicht bekannt, obwohl sie in der Sammlerszene einen großartigen Ruf genießt. Warum ist das so?
Ihre dokumentierbare keramische Laufbahn ist recht kurz. Nur 13 Jahre arbeitete sie in eigenen Töpfereien oder gemeinschaftlich geführten Firmen. Dennoch war ihr Einfluss damals weitreichend und ihr Netzwerk groß. In ihrem Leben gab es etliche Stationen.
Ihre Ausbildung genoss sie an der bekannten „Debschitz-Schule“ in München. Sie machte die Bekanntschaft von Hermann Bahlsen, dem Hannoveraner Keksfabrikanten, der sie bis zu seinem Tod förderte und unterstützte. Eine „Bahlsen-Dose“, die nach ihrem Entwurf gefertigt wurde, wird heutzutage immer noch in Kopie verkauft und steht in vielen Haushalten. Nach Bahlsens Tod zog sie nach Duingen und gründete dort ihre erste eigene Töpferei. Nur drei Jahre lang blieb sie da, aber die Entwicklungen in dieser Zeit prägten ihren ganzen weiteren Arbeitsweg. So kam es 1923 zur Firmengründung der „Hamelner Töpferei“ zusammen mit Dr. Georg Rawitscher, später folgte die eigene Töpferei am Langen Wall in Hameln, die eine Institution für das künstlerische Leben der Stadt wurde. Anfang der 1930er Jahre schließlich gründete sie noch einmal eine Töpferei mit dem Geschäftspartner Kurt Biermann in Hannover.
Zwei Jahre später zog sie in das Kloster Wülfinghausen. Es sollte allerdings kein vollständiger Rückzug werden, da sie nach wie vor nicht ohne die Keramik sein konnte. Sie nahm weiterhin Aufträge an, arbeitete noch zwei Jahre lang sporadisch bei Biermann, später dann in der Hamelner Töpferei, oder machte Freundschaftsbesuche, wie bei Hedwig Bollhagen, einer ehemaligen Schülerin von „Fräulein Kraut“, die sie gleichzeitig nutzte, um beispielsweise Glasurproben zu brennen.
Obwohl sie als Klostermitglied keine eigene Töpferei mehr betreiben konnte, blieb sie dem Kunsthandwerk und der Keramik treu. Als „Gedok“-Gründungsmitglied der damaligen Ortsgruppe Hannover (Gemeinschaft deutsch-österreichischer Künstlerinnen), engagierte sie sich weiterhin in der Gruppe, organisierte Ausstellungen und hielt Vorträge. Erblindet und bettlägrig starb Gertrud Kraut kurz vor ihrem 98sten Geburtstag. Aber glaubt man den Berichten von Zeitzeugen, war sie bis zuletzt voller positiver Energie und verzweifelte nie.
Warum also kennt man diese großartige Keramikerin heute nicht mehr? Künstlerische Anerkennung bekam sie auch damals schon durch ihre Teilnahme bei bekannten Messen, wie „Die Form“ 1924, den Grassimessen ab 1926 oder einer internationalen Ausstellung in Monza 1927. Aber es gab auch Misserfolge, geprägt vor allem durch immer wieder auftretende finanzielle Schwierigkeiten. Kriegszeiten, die politischen Entwicklungen sowie die sich anbahnende Weltwirtschaftskrise hinterließen tiefe Spuren.
Es waren schwierige Zeiten, auch gerade für Kunsthandwerker. Erst recht schwierig war es für fortschrittliche Frauen wie Gertrud Kraut, die ihr Leben dem Kunsthandwerk widmeten. „Ich sehe mit fühlender Hand“, schrieb sie. Wir glauben es ihr.
Ab Sonntag, den 30. Oktober um 15 Uhr wird diese neue Sonderausstellung mit dem Gastredner Dr. Andreas Heger und Bürgermeister Klaus Krumfuß eröffnet. Die Ausstellung wird bis zum 05. März 2023 im Museum jeweils mittwochs und sonntags von 15 – 17 Uhr, oder nach Vereinbarung, gezeigt. Der Eintritt ist frei.